Haushaltsrede 07.04.2022 der CDU-Fraktion

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Ratsmitglieder, sehr geehrte Damen und Herren,

bis vor wenigen Wochen waren wir alle der Ansicht, die größten Herausforderungen für unsere Stadt und unser Land seien die Bewältigung der Corona-Pandemie und der Klimawandel. Die Flutkatastrophe im Ahrtal und im Süden von NRW ist noch in frischer Erinnerung, so wie auch die Folgen der Pandemie für Wirtschaft und Gesellschaft, die finanziell noch immer kaum beziffert werden können.

Aber seit dem 24. Februar setzt der russische Präsident Putin durch seinen Überfall auf die Ukraine die Themen und hat eine Zeitenwende eingeläutet. Lange gehegte Gewissheiten sind über Nacht vom Tisch gefegt worden und die Abhängigkeit unseres Landes von Energie- und Rohstoffimporten zeigt ihre Schattenseiten.  Es ist eine gewisse Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet die Parteien nun das größte Aufrüstungsprogramm der Nachkriegszeit auf den Weg bringen, die vorher den Verteidigungsausgaben sehr kritisch gegenüberstanden.

Und wer hätte bis vor wenigen Tagen geglaubt, dass ein grüner Wirtschaftsminister mit Hilfe von Steuergeldern den Spritpreis drosseln will und selbst einer Renaissance der Atomkraft die Tür einen klitzekleinen Spalt öffnet. Ging es doch vorher jahrelang nur in die andere Richtung, wurden doch politisch alle Register gezogen, um die Energiepreise nach oben zu bewegen.

Die Zeitenwende erfasst auch die Finanzmärkte. Die Inflation meldet sich nach einer sehr langen Zeit der Geldwertstabilität mit Nachdruck zurück und die Zeiten einer Kreditfinanzierung fast zum Nulltarif dürften ebenfalls bald vorbei sein. Die erwartbaren Folgen dieser Entwicklung bildet der HH 2022 bislang nicht ab.

Kommen wir zu den konkreten Festsetzungen, die festgeschrieben werden sollen:

Die gute Nachricht des Haushaltes 2022 sind zunächst stabile Grund- und Gewerbesteuersätze. Vor dem Hintergrund sehr hoher Gewerbesteuereinnahmen im abgelaufenen Jahr 2021 sind diese stabilen Hebesätze angebracht.

Bei den Angaben zur Entwicklung der Einwohnerzahlen hält der Plan eine Überraschung bereit: Die Einwohnerzahlen sinken das zweite Jahr in Folge leicht ab. Vor dem Hintergrund einer regen Wohnungsbautätigkeit in unserer Stadt ist das ein wenig überraschend, auch wenn wir wissen, dass die Zahlen von IT-NRW und die Zahlen des Bürgerbüros der Stadt etwas voneinander abweichen. Das Narrativ von Telgte als wachsende Stadt erhält dadurch jedenfalls ein Fragezeichen.

Im abgelaufenen Jahr 2021 sind erhebliche Mittel für verschiedene Projekte außerplanmäßig bereitgestellt worden. Ausgaben von ca. 1,8 Millionen Euro für Luftfilter in unseren Schulen sind vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und einer 80- prozentigen Landesförderung sicher vertretbar.                            Ein Grundstückskauf im Millionenbereich, der in der Sache schwach begründet ist, dem kein schlüssiges Nutzungskonzept zugrunde liegt, der Folgekosten ignoriert und der mit denkbar knapper Mehrheit beschlossen wurde, ist dagegen sehr kritisch zu sehen.

Kritisch muss auch die geplante Neuverschuldung gesehen werden. Bis Ende 2024 soll der Schuldenstand der Stadt den Rekordwert von 39,5 Mio. Euro erreichen. Wir alle hoffen insgeheim, dass die Steuereinnahmen besser laufen als prognostiziert.

 Schulen

Haupttreiber der geplanten Verschuldung sind hohe Investitionen in die Telgter Schulen. Nachdem in Westbevern der Ausbau der Grundschule abgeschlossen werden konnte, läuft aktuell die Großbaustelle an der Don-Bosco-Schule. Weitere Maßnahmen im Bereich der Grundschulen und des Schulzentrums sind in der Planung. Diese Investitionen in die Ausbildung und Betreuung der Kinder und Jugendlichen in unserer Stadt sind wichtig und richtig.

Die Schwierigkeiten der Stadt und des Trägers bei der 8 – 1 Betreuung sehen wir mit Bedauern. Eine größere Flexibilität ist dringend notwendig.

Wir begrüßen die Bemühungen der Stadt zur Erreichung einer dauerhaften Vierzügigkeit des Gymnasiums. Dafür hat sich die CDU-Fraktion -teilweise gegen erhebliche Widerstände- stark gemacht. Es ist ein wichtiger Schritt zur optimalen finanziellen und vor allem auch personellen Ausstattung des MSMG.

Wohnraum

Wohnraum in unserer Stadt ist knapp und teuer. Kümmert sich die Stadt ausreichend um dieses Thema? Klare Antwort: Nein.

Ein Negativbeispiel ist die Aufgabe des Baugebietes Heidkamp in Westbevern-Vadrup, die der Bürgermeister in der letzten Sitzung des Bauausschusses verkündete. Sechs lange Jahre benötigte die Verwaltung, um festzustellen, dass die Entwässerung des Gebietes nicht lösbar ist. Alternative Planungen sind hier schleunigst auf den Weg zu bringen.

Der Vorschlag der CDU, durch Einrichtung einer Stabstelle Wohnraumförderung die Dinge grundlegend zu verbessern und strukturiert anzugehen, fand im FA bedauerlicherweise keine Mehrheit.  Zwar wurden im Rahmen der Zusammenarbeit in der Stadtregion Münster mit der Entwicklungsorientierten Wohnungsmarktbeobachtung vergleichbare Ansätze auf den Weg gebracht. Das ist zu begrüßen, aber aus Sicht unserer Fraktion hätte hier deutlich mehr passieren können. Die Politik in Telgte schenkt der Versorgung mit bedarfsgerechtem und bezahlbarem Wohnraum nicht genügend Aufmerksamkeit.

Flüchtlingsunterbringung

Einem WN-Bericht vom 26.03.2022 war zu entnehmen, dass von kreisweit 1490 Plätzen für Geflüchtete in der Stadt Telgte 431 dieser Plätze liegen und diese Plätze vollständig belegt sind. Die Stadt wendet für die Unterbringung und Betreuung ca. 2,5 Millionen Euro auf. Ca. 75 Prozent dieser Kosten werden durch Bund und Land refinanziert, dennoch ist es für den Haushalt der Stadt eine beachtliche Größenordnung. Die Flüchtlingswelle aus der Ukraine wird diese Zahl noch deutlich erhöhen und die Stadt will und muss ihre Kapazitäten  ausbauen. Die Frage aber, wer in den Wohnungen der Stadt untergebracht wird und wer nicht, nach welchen Leitlinien hier verfahren wird, bedarf aus unserer Sicht einer Diskussion in den Ratsgremien. Bislang wird es als reine Verwaltungsangelegenheit behandelt. Wir werden in einer der nächsten Hauptausschusssitzungen diese Fragen auf die Tagesordnung bringen.

RGH Verein

Der Raestruper Gemeindehausverein kümmert sich hervorragend und beispielhaft um die Belange dieses Ortsteiles. Das unterstützen wir ausdrücklich und freuen uns, dass nach intensiver Debatte die Stadt einen beachtlichen Zuschuss zur Errichtung des Gemeindehauses leisten wird. Es ist eine Investition in den sozialen Zusammenhalt unserer Stadt. Die Arbeit der Aktiven dort ist einfach klasse.

Auf Antrag der CDU-Fraktion ist es gelungen, die verbliebene Freifläche am Finkenweg dauerhaft als Spielfläche zu erhalten. Es ist in diesem gesamten Quartier die letzte freie Fläche, die für Spielzwecke genutzt werden kann.      Wir werden uns in der kommenden Sitzung des Ausschusses für Generationen und Soziales, in der über die Ausgestaltung und die Freigabe der eingestellten Finanzmittel beraten werden soll, für eine gute und attraktive Gestaltung einsetzen. Eine Beteiligung der Anlieger und Nachbarn ist uns dabei besonders wichtig.

Musikschule

Die städtische Musikschule besteht seit mehr als 50 Jahren und erfreut sich in der Stadt einer hohen Wertschätzung und Anerkennung, die wesentlich mit der Person des Leiters der Musikschule verbunden ist.  Am 25. Januar dieses Jahres eröffnete der Bürgermeister den Fraktionsvorsitzenden seine Absicht, aufgrund des bevorstehenden Ruhestandes von Gregor Stewing, die städtische Musikschule in die Trägerschaft der Schule für Musik des Kreises Warendorf zu überführen. In der von CDU und SPD geforderten öffentlichen Diskussion dieses Vorschlages gab es eine deutliche Mehrheit für die Eigenständigkeit der Telgter Musikschule. Es liegt nun in der Verantwortung des BM, einen geeigneten Nachfolger für den bisherigen Musikschulleiter zu finden. Es bleibt zu hoffen, dass ihm dies gelingt. Die teilweise sehr emotional geführte Diskussion soll bitte nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine bestmögliche musikalische Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen das Ziel aller Ratsfraktionen wie auch der großen Mehrheit der Stadtgesellschaft ist und parteiübergreifend die Bereitschaft zu einer guten finanziellen Ausstattung vorhanden ist. Bestes Beispiel sind hier die Beschlüsse zur Neuerrichtung des Hauses der Musik am Emstor.

Erneuerbare Energien in Telgte

Nach langen Jahren scheint Bewegung in die Erzeugung erneuerbarer Energien im Stadtgebiet zu kommen. Die laufende Gesetzgebung und nachfolgende Rechtsprechung zeigen ein Ende der seit 2003 bestehenden Konzentrationszonen für WEA auf. Die von der Stadt beauftragte Potentialflächenanalyse zeigt eine überschaubare Zahl an neuen Standorten für WEA auf. Es ist der CDU gelungen, in dieser Diskussion zwei entscheidende Ankerpunkte zu setzen, um die Akzeptanz dieser Energieerzeugungsform zu verbessern: direkt Anlieger sollen an der Standortpacht nach Abstand und Betroffenheit beteiligt werden und Wertschöpfung soll vor Ort bleiben, indem Telgter BürgerInnen und Unternehmen Beteiligungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen kommen dem Haushalt der Stadt zugute. Wir verkennen allerdings nicht, dass die Durchsetzung dieser Ziele eine gute Verhandlungsführung durch die Stadt und den Kreis Warendorf als Genehmigungsbehörde voraussetzt. Alle Beteiligten müssen mitgenommen werden. Der Friede in den betroffenen Bauernschaften ist für uns ein hohes Gut.

Die von der CDU eingebrachte Förderung zur Errichtung von PV-Anlagen ist ein weiteres gutes Signal. Die rege Nachfrage zeigt es deutlich.  Die Stadt selbst aber muss ihre Möglichkeiten zur Errichtung auf stadteigenen Dächern offensiver nutzen und hier deutlich mehr Tempo machen.

Platz am Schilde

Eines der wesentlichen Eingangstore in die Altstadt Telgtes ist der Platz am Schilde, der schon seit Jahren nach einer Neu- und Umgestaltung ruft und dringend einer besseren Pflege bedarf. Dieser Platz ist ein Ort, der eine sensible Herangehensweise an die Umgestaltung voraussetzt, da z.B. die Parkflächen für PKW der Kunden, wie auch die anliegenden Handelsunternehmen von großer Bedeutung sind. Die Notwendigkeit, diesem Altstadteingang ein frisches Gesicht zu geben, besteht dennoch dringend. Die Beschlusslage zu unserem Antrag im Finanzausschuss wird diesem Ziel gerecht.

Bürgeranträge Westbeverner Krink

Sehr erfreulich ist das große Engagement des Westbeverner Krinks für die Weiterentwicklung und Bestandhaltung der Attraktivität und Lebensqualität in Westbevern-Dorf und Vadrup. Ebenso erfreulich ist das eindeutige Votum für die Unterstützung dieses Engagements und der Förderung der durch den Krink geplanten Projekte. Neben dem Einsatz einer weiteren Geschwindigkeitsmessanlage in Dorf kann der Krink nun Freizeitangebote aufrechterhalten und die Räume der Kindergruppe in Vadrup renovieren. Ein sehr gutes Beispiel für herausragendes bürgerschaftliches Engagement. Hier ist jeder Cent Steuergeld gut angelegt.

Fazit

Die CDU-Fraktion wird dem Haushalt 2022 heute Abend ihre Zustimmung geben. Wir sehen durch eine Reihe von Initiativen unserer Fraktion viele Dinge auf den Weg gebracht, die nicht immer gleich viel Geld kosten müssen, für die Stadt und ihre Menschen dennoch wichtig sind.  Die Unwägbarkeiten sind aber riesengroß. Viele Haushaltspositionen können sich durch inflationäre Kostensteigerungen, die neuerliche Flüchtlingskrise sowie Entscheidungen auf Landes- und Bundesebene zur Begrenzung der Verschuldung bereits morgen als überholt darstellen. Wir vertrauen insbesondere auf das Augenmaß und die Umsichtigkeit unseres Kämmerers, auf schwer vorhersehbare Ereignisse angemessen zu reagieren.

Ich darf mich abschließend für die Unterstützung bei unseren Haushaltsberatungen, aber auch vielen anderen Fragen durch die Mitarbeiter der Verwaltung herzlich bedanken. Es ist uns eine wertvolle Hilfe, ohne die ehrenamtliche kommunale Politik kaum möglich wäre.

Und Ihnen, meine Damen und Herren, danke ich für ihre Aufmerksamkeit.


Für die CDU-Fraktion

Christoph Boge