Die Haushaltsrede von unserem Fraktionsvorsitzenden Christoph Boge in der letzten Ratsitzung im Jahr 2019.
Die Stadt erfreut sich einer ungebrochen guten Einnahmesituation. Bereits seit vier Jahren in Folge steigt die Steuerkraft der Stadt stetig an und erzielt mit Gesamteinnahmen von 42 Mio. € einen weiteren planerischen Rekord. Insbesondere die Gewerbetreibenden tragen zur guten Einnahmesituation entscheidend bei. Dafür gebührt den Unternehmern und all ihren Mitarbeitern Dank und Anerkennung.
Daher waren Steuererhöhungen, in den vergangenen Jahren gern das Lieblingsthema der Grünen und des Bürgermeisters, in diesem Jahr berechtigterweise kein Thema.
Wer aber davon ausgeht, dass die hohen Einnahmen ausreichen, um alle Aufgaben und Wünsche der Stadt zu erfüllen, wird eines Besseren belehrt. Die geplanten Aufwendungen liegen mit 45 Millionen um fast 3 Millionen € höher als die Einnahmen.
Der Planentwurf versucht erkennbar, vielen, wenn nicht gar allen Anforderungen und Aufgaben gerecht zu werden. Das aber hält die Politik nicht von noch weitergehenden Wünschen ab. So hatte sich der Finanzausschuss mit einer Vielzahl weiterer Ausgabenwünsche zu beschäftigen, deren Grundlage allerdings nicht immer nur in erkennbaren Handlungsdefiziten zu sehen war, - Stichwort Pausenhalle am Schulzentrum- sondern nicht zuletzt dem Ziel diente, das jeweils eigene politische Schaufenster mit Blick auf den Kommunalwahltermin im September 2020 mit diversen Ausstellungsstücken zu schmücken.
Im Mai diesen Jahres hat die Stadt mit den Stimmen von Grünen, SPD und FDP den Klimanotstand ausgerufen. Dieser Beschluss verdient in dreierlei Hinsicht besonderer Beachtung, obwohl er keine unmittelbaren Konsequenzen für kommunalpolitisches Handeln nach sich zieht.
Erstens stellt er die Bemühungen der Stadt um vielfältige Klimaschutzbemühungen in den vergangenen Jahren in den Schatten, ja diskreditiert sie regelrecht. Der EEA-Award in Gold, den die Stadt erreicht hat, wird durch diesen Beschluss zu einer bedeutungslosen Lappalie abgewertet. Diese Abwertung teilt die CDU-Fraktion ausdrücklich nicht, denn wir sehen die Stadt mit ihren vielfältigen Bemühungen auf einem guten Weg.
Zweitens ignoriert dieser Beschluss die sehr hohen Aufwendungen, die die Telgter Bürger und Unternehmen seit vielen Jahren über die Zahlung der EEG-Umlage leisten. Diese Aufwendungen, die im aktuellen Jahr bei ca. 4,5 Millionen € liegen, sind in der Wahrnehmung der Telgter Politik offenbar marginal und wirkungslos. Auch diese Einschätzung teilt die CDU-Fraktion nicht. Über diese Umlage leisten die Telgter aus unserer Sicht einen erheblichen Beitrag zur Erzeugung regenerativer Energien und damit zum Klimaschutz.
Und Drittens transportiert der Begriff Klima“notstand“ die Vorstellung, dass höchste Gefahr im Verzug ist, die ein sofortiges konsequentes Handeln erfordert und zu diesem Zweck demokratische Entscheidungsprozesse ausgesetzt werden müssen. Unsere Fraktion schließt sich den Weltuntergangsszenarien nicht an. Auch wenn der Handlungsbedarf unbestritten ist, kann er nach Überzeugung unserer Fraktion im Rahmen rechtstaatlichen und demokratischen Handelns erreicht werden und benötigt nicht ein bedingungsloses Durchgriffsrecht der Exekutive. Die im Rahmen der Klimaschutzdebatte verwendeten Begrifflichkeiten haben einen kompromisslosen, fast totalitären Kern, der Lösungen eher erschwert denn erleichtert.
Der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer brachte es in einem Interview in der „Welt“ vor einigen Tagen auf den Punkt, als er feststellte: “Aus Panik heraus sind nie sinnvolle Lösungen entstanden“.
Auf einen Detailpunkt zum Thema Klimaschutz möchte ich in diesem Zusammenhang etwas näher eingehen. Die Verwaltung hat in ihrer Vorlage 6 2019/100 vom 29.07.2019 unter Anerkennung der Tatsache, dass CO²- Emissionen kein lokales, sondern ein weltweites Problem sind, die Option von Kompensationen in die Diskussion eingebracht, die sich nicht auf das Stadtgebiet von Telgte beschränken, sondern mit Hilfe von Fachorganisationen auch in weiter Ferne Klimaschutzmaßnahmen betreiben.
Diese Kompensation bringt eine entscheidende wirtschaftliche Komponente in die Debatte. Klima kennt keine Grenzen. Wo kann mit dem geringsten Aufwand das beste Ergebnis erzielt werden?
Wenn es gelingt, mit einem Aufwand von gerade einmal 10 € eine t Co² zu binden, so liefert dies einen Maßstab und eine Messlatte für die CO ²-Vermeidungskosten, die der Stadt durch anderweitige Maßnahmen entstehen würden.
Wie glaubwürdig, effizient und dauerhaft aber sind solche Kompensationsmodelle? Gewisse Zweifel beschleichen sicher jeden von uns. Ich darf auf eine Veranstaltung hinweisen, die am 03.02.2020 im Telgter Bürgerhaus stattfindet. Hier werden Organisationen ihre jeweiligen Kompensationsmodelle vorstellen und sich den Fragen der Öffentlichkeit stellen. Zu dieser Veranstaltung darf ich Sie alle bereits heute herzlich einladen.
Zur Schulpolitik in unserer Stadt einige Anmerkungen:
Der im September 2018 vorgelegte Schulentwicklungsplan hatte bereits bei seiner Vorlage Kritik an den Prognosen der Schülerzahlen hervorgerufen. Die Verwaltung ist dem Antrag der CDU-Fraktion aus Mai 2019 nachgekommen und hat die Zahlen aktualisiert. Die Abweichungen sind deutlich, dürften nun aber ein realistisches Bild abgeben und eine belastbare Grundlage für die weitere Schulentwicklung beschreiben. Für diese Grundlagenerstellung dürfen wir uns beim Schulamt der Stadt ausdrücklich bedanken. Der zeitliche Ablaufplan der Schulentwicklung findet unsere Unterstützung und mit Herrn Patt vom Entwicklungsbüro Bildung hat die Stadt einen kompetenten Begleiter gefunden.
Der Etatentwurf sieht für die Jahre 2020 bis 2022 Aufwendungen im Schulbereich von nicht weniger als 5,7 Millionen € vor, eine große Summe. Ohne Zweifel ist ein gut aufgestelltes Schulsystem für unsere Kinder und Jugendlichen von größter Bedeutung und darüber hinaus ein wichtiger Standortfaktor für Telgte.
Bei der Vorstellung der grundsätzlichen Überlegungen zum pädagogischen Raumkonzept von Herrn Patt am 05.12.2019 dürften sich allerdings die ersten Zweifel eingeschlichen haben, ob der genannte Betrag ausreichend sein wird oder aber der Politik die undankbare Aufgabe zukommen wird, zwischen dem pädagogisch sinnvollen und finanziell machbaren abzuwägen und möglicherweise nicht alle Wünsche und Anforderungen erfüllen zu können.
Wohnungsbau in Telgte
Die Wohnbauentwicklung ist und bleibt das Stiefkind der Telgter Politik. Nachfrage und Angebot klaffen seit langem deutlich auseinander. Wohnungssuche in Telgte gleicht einem Lotteriespiel.
Die Stadt kommt ihrer Aufgabe nicht nach, ihre Planungshoheit zum Wohl der Telgter Bürger einzusetzen. Wenn Angebot und Nachfrage so weit auseinander gehen wie in unserer Stadt, dann wird aus kommunalem Planungsrecht eine Planungspflicht. Angemessener Wohnraum ist ein Grundbedürfnis der Menschen und Telgte tut zu wenig, um dieses Grundbedürfnis zu befriedigen.
So sind die Bestrebungen zur Nachverdichtung bestehender Plangebiete ohne nennenswerte Ergebnisse im Sande verlaufen. Zahlreiche private Bauvorhaben werden mit Forderungen und Erwartungen überhäuft, ja überfrachtet. Denkmalschutz, Gestaltungsbeirat und Forderungen aus Politik und Nachbarschaft lassen so manchen Bauwilligen verzweifeln. Im Ergebnis führt dies zu Stagnation. In einer sich dynamisch entwickelnden Stadtregion Münster und seiner Umlandgemeinden ist Telgte einsames Schlusslicht. Der Blick in die statistischen Angaben des Vorberichtes belegt dies deutlich. Um 535 Personen hat sich die Einwohnerzahl lt. IT NRW seit 2009 erhöht, ein Plus von mageren 0,25 % je Jahr. Die Zahlen des Telgter Bürgerbüros weichen etwas nach oben ab, verändern aber nicht das Gesamtbild. In den vergangen zehn Jahren ist nicht ein einziges neu geplantes Baugebiet in Telgte an den Start gegangen.
Im Gebiet Telgte-Süd geht es schleppend voran. Mit den Stimmen von Grünen, SPD und FDP wurde jüngst der dritte Bauabschnitt leichtfertig und voreilig de facto beerdigt. Der Wille zur Lösung bestehender Probleme, deren Schwierigkeitsgrad gewiss nicht unterschätzt werden darf, war und ist nicht ausreichend. Weder wurde dem Geruchsgutachter Gelegenheit gegeben, seine veränderten Einschätzungen zu erläutern, noch wurden einzelbetriebliche Umsiedlungsprobleme einer politischen Beratung zugänglich gemacht. Ebenso wurden die finanziellen Auswirkungen auf den Business- und Projektplan bisher nicht dargestellt und einer Beratung zugänglich gemacht. Das die Telgter Grünen ihrem Bürgermeister durch Dick und Dünn die Stange halten, mag noch verständlich sein. Über das Verhalten von Sozial- und Freidemokraten zu dieser Art von Information und Beteiligung können wir an dieser Stelle allerdings nur den Kopf schütteln.
Die vom Bürgermeister angekündigte noch stärkere Verdichtung im Bauabschnitt Eins und Zwei von Telgte Süd sehen wir sehr kritisch. Die städtebauliche Qualität dürfte darunter stark leiden, möglicherweise werden hier sogar soziale Brennpunkte neu geschaffen. Unserer Meinung nach gehört der verdichtete Geschoßwohnungsbau in die zentralen Lagen der Stadt und die aufgelockerte Bebauung eher an den Rand der Stadt. In Telgte Süd sind wir auf dem besten Wege, die Dinge auf den Kopf zu stellen.
Ein positiver Aspekt zu Telgte Süd soll hier nicht fehlen: Mit Hilfe von Herrn Tippkötter sind wir bei der energetischen und klimarelevanten Gestaltung dieses Baugebietes auf einem guten Weg. Hier kann sich zeigen, das ökologische und ökonomische Aspekte miteinander vereinbar sind.
Der Raestruper Gemeindehausverein hat bei den Plänen zur Errichtung des Gemeindehauses an der Raestruper Kapelle unsere volle Unterstützung. Politik und Verwaltung müssen hier nach Kräften helfen und in besonderer Weise den basisdemokratischen Planungsweg des Vereins respektieren. Wenn Politikern, Verwaltungsmitarbeitern oder Mitgliedern des Gestaltungsbeirates gewisse Planungsdetails nicht gefallen, so darf dies die Umsetzung nicht behindern. Wir ermuntern die Raestruper: Macht euer Ding und laßt die Spatzen pfeifen!
Unabhängig von der Haushaltsrelevanz muss sich die Stadt um die ärztliche Versorgung in Telgte kümmern. Die Veranstaltung am 20.11.2019 mit Minister Laumann, Herrn von der Osten und Dr. Jens Huber hat viele Ideen und wichtige Impulse geliefert. Diese müssen nun in einen kommunalen Aktionsplan Ärztliche Versorgung einfließen. Denn dieses Thema betrifft wirklich alle Telgter, ohne Ausnahmen. Im kommenden Jahr werden wir uns um konkrete Schritte kümmern und dabei auf die angebotene Hilfestellung sowohl der Landespolitik als auch der Kassenärztlichen Vereinigung gerne zurückgreifen.
Für die Gestaltung der Ortsdurchfahrt Westbevern gab es in der Masterarbeit von Herrn Neuhaus viele erfrischende und kreative Ideen. Damit können wir was anfangen. Danke an den Westbeverner Krink für die Initiative zu dieser Arbeit.
Zum Schluss darf ich auf ein schwarzes Loch des Haushaltsplanes 2020 hinweisen. Dies ist die Renovierung und Instandsetzung des Rathauses selbst. Die Verhüllungen der maroden Betonteile darf nicht dauerhaft über den Reparaturbedarf hinwegtäuschen. Der Handlungsbedarf ist unübersehbar. Das Rathaus ist mittlerweile ein Denkmal. Grüne, SPD und FDP waren sich hier einig und haben die Unterschutzstellung herbeigeführt. Die Ampelkoalitionäre sollten bei Gelegenheit die Frage klären, ob die Textilbespannung mittlerweile ein Teil des Denkmales ist und uns Pdauerhaft erhalten bleiben soll.
Zusammenfassend darf ich feststellen, dass sich viele Anträge und Initiativen der CDU im Haushalt 2020 wiederfinden. Insbesondere die Unterstützung der vielfältigen Vereinsarbeit war und ist unser Herzensanliegen. Diese Vielfalt macht Telgte aus und bereichert unsere Stadt ungemein.
Die von uns eingebrachte Umsetzungskontrolle gefasster Beschlüsse wie auch die Priorisierung von Aufgaben durch den Rat sind geeignet, die Selbstverwaltung zu stärken.
Die CDU-Fraktion wird daher dem Haushalt 2020 ihre Zustimmung geben.
Zum Schluss meiner Ausführungen darf ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kämmerei bedanken. Besonderer Dank gilt Herrn Herzig für die Unterstützung bei unseren Haushaltsplanberatungen.
Danke auch an alle Fachbereichsleiter und Mitarbeiter für viele Informationen und stete Gesprächsbereitschaft. Für die Ausübung unserer ehrenamtlichen politischen Arbeit sind diese mehr als wichtig.
Und bei ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer bedanke ich mich für ihre Aufmerksamkeit.
Für die CDU-Fraktion
Christoph Boge